Unvorhersehbare, extreme Ereignisse mit hohem Impact, die sogenannten Black Swans, lassen sich nicht vorhersagen. Aber man kann sich darauf vorbereiten.
Warum diese Übung essenziell ist
In der Governance liegt die wahre Gefahr selten im Bekannten. Sie liegt im Unvorstellbaren, bis es eintritt. Black Swans kündigen sich nicht an. Sie treffen schnell, hart und oft dort, wo die Organisation am wenigsten vorbereitet ist: Cybersicherheit, Lieferantenabhängigkeit, Krisen-Governance, soziales Klima.
Viele Verwaltungsräte bleiben bei linearem Steuern mit vernünftigen Prognosen und kontrollierbaren Szenarien. Strategische Resilienz entsteht anders: das Undenkbare denken, ohne Skript reagieren, mit Methode improvisieren.
Hier setzt die Black-Swan-Übung an. In 30 Minuten versetzt sie den VR in einen strukturierten Spannungsmodus. Sicher, klar gerahmt und sehr erhellend. Es geht nicht um Angst. Es geht um Testen, Offenlegen, Ausrichten. Damit das Unternehmen am Tag X handlungsfähig bleibt.
Bereit, etwas Unerwartetes in Ihre Governance zu holen?
Die Qualität der Übung steht und fällt mit den Szenarien. Extrem, aber glaubwürdig. Unbequem, aber realistisch. Ziel: den kollektiven Autopiloten stoppen.
Vor dem Meeting erstellt das Sekretariat oder eine externe Moderation 5 bis 10 Karten. Jede Karte: ein Black-Swan-Szenario in einem Satz, plus kurzer, konkreter Kontext.
Beispiele:
- Ihr Hauptlieferant geht in 3 Tagen nach einem Korruptionsskandal in Insolvenz.
- Ein Cybervorfall legt Betrieb und Vertriebskanaele fuer eine Woche lahm.
- Eine NGO veröffentlicht eine vielbeachtete Recherche zu Ihren Beschaffungspraktiken.
- Eine neue EU-Regel untersagt eine Schlüsselkomponente Ihres Kernprodukts.
- Die CEO fällt nach einem Unfall 6 Monate aus, ohne belastbaren Nachfolgeplan.
So setzen Sie es um:
- Planen Sie ein kurzes Vortreffen mit 2 bis 3 Schlüsselpersonen, gestützt auf Trends, Audit-Findings und Branchennews.
- Nutzen Sie ein Standard-Template je Karte: „Wenn [Ereignis X] morgen eintritt, wo liegen unsere kritischen Schwächen?“
- Karten in einen blickdichten Umschlag legen oder ein digitales Zufallsrad nutzen. Überraschung ist zentral.
Governance-Tipp: Karten alle 6 Monate erneuern. So bleibt die Antizipationskultur im VR lebendig.
Im Meeting wird eine Karte zufällig gezogen, ohne Vorbereitung der Teilnehmenden. Die Moderation liest vor und lädt zur gedanklichen Immersion ein:
„Stellen Sie sich vor, das passiert morgen um 8 Uhr. Was ist unsere erste Schwäche? Wo wären wir desorganisiert, blind, langsam?“
Diese Sequenz dauert 10 bis 15 Minuten. Eine minimale Krisensimulation mit grosser Wirkung. Jedes Mitglied spricht frei, ohne Tabus und ohne Hierarchie.
Ziel: sofortige Dysfunktionen sichtbar machen.
- Welche Funktionen oder Teams fallen aus?
- Welche Kontinuitaetsplaene fehlen, sind unklar oder veraltet?
- Wer kann schnell entscheiden?
- Wo liegen Silos oder Grauzonen der Verantwortung?
Diese Phase mobilisiert kollektive Intelligenz fuer das Unerwartete und zeigt, wie der VR unter Druck denkt.
Praxis:
- Externe Perspektive am Ende einholen, zum Beispiel von Risk Officer, Auditorin oder Rechtsberater.
- Ein „Sofort-Impact“-Schema am Board skizzieren: Schlüsselbereiche, kritische Abhängigkeiten, fragile Prozesse.
- Prägnante Aussagen festhalten. Sie füttern Empfehlungen und künftige Reflexe.
Empfohlenes Tool: kollaborative Mindmaps wie Miro oder Mural zur Echtzeit-Strukturierung.
Nach der offenen Diskussion folgt die schnelle Konvergenz.
Jedes Mitglied bewertet anonym:
- Potentieller Impact des Szenarios (1 bis 5)
- Grad der Vorbereitung auf dieses Szenario (1 bis 5)
Visualisierung als Histogramm oder 2-Achsen-Matrix (Impact × Vorbereitung).
Warum das wirkt:
- Subjektive Wahrnehmungen werden vergleichbar.
- Unterschiede zwischen Mitgliedern werden sichtbar.
- Gemeinsame Basis fuer Prioritäten entsteht.
Wichtiger als der Durchschnitt ist die Streuung. Hoher Impact bei stark variierender Vorbereitung signalisiert strategische Anfälligkeit.
Umsetzung:
- Einfache Tools wie Mentimeter oder Slido für Echtzeit-Abstimmungen nutzen.
- Ergebnisse in einer 5×5-Matrix mit Farbcodes zeigen. Rot = hohe Priorität.
- Kurzstatement zur grössten Abweichung einholen: „Was erklärt Ihre niedrige/hohe Bewertung?“
Governance-Hinweis: Ergebnisse dokumentieren und über die Zeit vergleichen.
Nach dem Befund folgt Handlung. Die Black-Swan-Übung soll sofort wirken.
Die Moderation lässt die Gruppe festlegen:
- Zwei Sofortmassnahmen, falls das Szenario morgen eintritt.
- Eine präventive Massnahme fuer die nächsten 30 Tage.
Mögliche Felder: Governance (z. B. belastbarer CEO-Nachfolgeplan), Prozesse (z. B. Cyber-Response-Protokoll), Kommunikation (z. B. Stakeholder-Positionierung in der Krise).
So gelingt es:
- Jede Massnahme an ein Duo koppeln, bestehend aus VR-Mitglied und GL-Mitglied. So steigt die Umsetzungskraft.
- Alles im Protokoll festhalten. Klare Fristen. Follow-up in der nächsten Sitzung.
- Zentrales „Black-Swan-Aktions-Board“ für Nachverfolgung und Challenge führen.
Governance-Tipp: Nach 6 Monaten rückblicken. Was wurde umgesetzt? Welche Learnings gab es im Prozess?
Die Rolle der Moderation ist zentral. Nicht Spielleitung, sondern Ermöglichung kollektiver Klarheit. Drei Hebel: Vorbereitung, Haltung, Struktur.
Vor dem Meeting: Rahmen setzen
- 5 bis 10 robuste Szenarien erstellen. Breite Abdeckung: Cyber, HR, Regulierung, Reputation, Klima. Verschiedene Zeithorizonte.
- Überraschungseffekt testen mit einer externen Person. Ein Moment der stillen Reflexion sollte spürbar sein.
- Thema früh auf die Traktandenliste setzen, ideal früh in der Sitzung, vor ermüdungsbedingten Einbussen.
Im Meeting: Rhythmus und Dynamik führen
- Ziel klären: nicht lösen, sondern sichtbar machen.
- Zeit strikt halten: 10 Minuten Diskussion, 5 Minuten Voting, 10 Minuten Aktionsplanung.
- Widerspruch wertschätzen. Nicht glätten, sondern vertiefen. Differenzen schärfen die Analyse.
Nach dem Meeting: Verankern und ritualisieren
- Kurzes Memo mit Szenario, Schwächen, Voting-Ergebnissen und vereinbarten Massnahmen erstellen.
- Mini-Survey nach 48 Stunden versenden. Eindrücke, Ungesagtes, Verbesserungen sammeln.
- Rhythmus festlegen: einmal pro Quartal oder Halbjahr. So entsteht eine vorausschauende Governance-Praxis.
Bonus: eine geteilte „Black-Swan-Bibliothek“ führen, die jedes VR-Mitglied mit Beispielen ergänzt.
Fazit: Wenn das Unwahrscheinliche zum strategischen Hebel wird
In einer Welt permanenter Brüche müssen Verwaltungsräte Unsicherheit steuern können. Die Black-Swan-Übung ist kein Gimmick, sondern ein Mikro-Labor für strategische Resilienz. In 30 Minuten deckt sie blinde Flecken auf, testet Entscheidungsschnelligkeit, stärkt Kohäsion und bereitet die Organisation auf Vorstellbares und Unvorstellbares vor.
Das Wichtigste auf einen Blick:
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Was Sie nicht sehen, gefährdet Sie oft am meisten.
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Gemeinsames Erkennen von Schwächen ist wertvoller als Konsens über Lösungen.
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Was Sie heute ausblenden, kann morgen Ihr Chaos sein.
Express-Checkliste für Ihre nächste Sitzung:
- Haben wir einen belastbaren Nachfolgeplan?
- Können wir in weniger als 30 Minuten in den Krisenmodus schalten?
- Welche zwei Entscheidungsketten sind am fragilsten?
- Welches „unmögliche“ Szenario koennte 30 Prozent unseres Unternehmenswerts in 72 Stunden vernichten?
Beginnen Sie Ihr nächstes Meeting mit einem „Was wäre, wenn…?“. Sie werden überrascht sein, wie viel Ihr Rat vorausdenken kann