5 juristische Fragen, die sich jedes neue Verwaltungsratsmitglied stellt

Haftung, Versicherung, Interessenkonflikte : 5 zentrale Fragen für neue Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte

Verwaltungsrat werden : Ehre, Verantwortung – und unterschätztes Risiko

Sie wurden neu in den Verwaltungsrat einer Unternehmung gewählt ? Gratulation. Aber wissen Sie genau, worauf Sie sich rechtlich, finanziell und ethisch einlassen ?

Hinter Titel und Sitzungen mit strategischem Glanz verbirgt sich eine Aufgabe mit hoher Verantwortung – und persönlicher Haftung.

Dieser Beitrag beantwortet die 5 juristischen Fragen, die sich jedes neue VR-Mitglied stellen sollte, und zeigt, wie Sie typische Fehler vermeiden. Ob KMU oder börsenkotierte Gesellschaft : diese Grundlagen sind Ihr bester Schutz und Ihr stärkstes Glaubwürdigkeits-Signal.

Einführung : Vom « Sitzen » zum « Überwachen » – die wahre Aufgabe des VR

Ein VR-Mandat ist kein Prestige-Titel. Es ist eine Aufgabe mit klar definierten gesetzlichen Pflichten nach dem OR, mit wachsender öffentlicher und regulatorischer Erwartung.

Viele neue Mitglieder erhalten keine strukturierte rechtliche Einführung. Die Folge : Unsicherheit über Rolle und Verantwortung, Entscheidungen ohne vollständiges Verständnis – und damit unnötige Risiken für Person und Unternehmen.

Dieser Leitfaden bietet eine praxisnahe Orientierung – ideal vor Ihrer ersten Sitzung oder zur Einführung neuer Mitglieder.


1.  Wie weit reicht meine persönliche Haftung als Verwaltungsrat ?

Das ist die zentrale Frage. Mit der Annahme des Mandats übernehmen Sie persönliche Verantwortung nach Art. 717 OR.

Sie müssen handeln

  • mit Sorgfalt – wie eine fachkundige Person in vergleichbarer Lage,
  • mit Treuepflicht – im Interesse der Gesellschaft, nicht im eigenen,
  • mit Unabhängigkeit – ohne blinde Delegation an die Geschäftsleitung.

Ein VR-Mitglied kann persönlich haftbar werden für Fehlentscheide, grobe Pflichtverletzungen oder mangelnde Aufsicht – auch ohne eigene Unterschrift unter dem fehlerhaften Dokument.

Umsetzung in der Praxis

  • Lesen Sie die Statuten und die Protokolle der letzten VR-Sitzungen.
  • Verlangen Sie eine zweistündige Einführung zu Ihren Pflichten und Haftungsrisiken.
  • Prüfen Sie, ob der VR eine systematische Dokumentation der Diskussionen führt – sie ist Ihr bestes Schutzinstrument.

Viele glauben fälschlich, dass der Versicherungsschutz automatisch gilt. Das ist nicht immer so.

Die D&O-Versicherung (Directors & Officers) deckt Anwalts- und Prozesskosten sowie Schadenersatzforderungen bei persönlicher Inanspruchnahme. Sie gilt auch nach Amtsende – aber nur bei korrekt ausgestalteter Police.

Umsetzung in der Praxis

  • Verlangen Sie eine Kopie der D&O-Police vom VR-Sekretariat.
  • Prüfen Sie insbesondere
    • Ausschlüsse (Betrug, grobe Fahrlässigkeit, Interessenkonflikte),
    • Deckungssummen,
    • Nachhaftungsdauer nach Mandatsende.
  • Lassen Sie die Police bei Bedarf von einem unabhängigen Broker oder Juristen beurteilen.

Tipp : Bei mehreren Mandaten lohnt sich eine persönliche Zusatz-D&O.

Ein Interessenkonflikt ist kein Fehlverhalten, sondern eine Situation, in der Ihr Urteil durch andere Interessen beeinflusst sein könnte.

Das Schweizer Recht (Art. 717a OR) verlangt, dass VR-Mitglieder jeden Konflikt offenlegen, sobald er erkannt wird. Danach gilt :

  • formelle Meldung an die Präsidentin oder den Präsidenten,
  • Enthaltung bei der betroffenen Entscheidung,
  • Protokollierung der Enthaltung.

Umsetzung in der Praxis

  • Füllen Sie jährlich eine Interessenerklärung aus (Mandate, Beteiligungen, familiäre Bindungen).
  • Machen Sie sich mit der Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten vertraut.
  • Führen Sie ein persönliches Register über Ihre Offenlegungen.

Guter Reflex : Fragen Sie im Zweifel vor der Sitzung – nicht danach.

Jedes VR-Mitglied unterliegt einer strikten Vertraulichkeitspflicht für alle Informationen, die es im Mandat erhält :

  • Dokumente (Budgets, Verträge, Berichte),
  • Gespräche (auch informelle),
  • Beschlüsse, auch wenn sie noch nicht final sind.

Diese Pflicht gilt über das Mandatsende hinaus. Verstösse können führen zu

  • sofortiger Abberufung,
  • zivilrechtlichen Klagen wegen Schaden,
  • strafrechtlicher Verfolgung bei Geschäftsgeheimnissen.

Umsetzung in der Praxis

  • Prüfen Sie, ob Sie eine formelle Geheimhaltungsvereinbarung unterschrieben haben.
  • Verwenden Sie sichere Kommunikationskanäle für vertrauliche Unterlagen.
  • Fordern Sie beim Austritt eine offizielle Übergabe- und Löschbestätigung aller Dokumente.

Guter Reflex : Behandeln Sie jede Information als vertraulich, bis Sie ausdrücklich zur Weitergabe berechtigt sind.

Die Vergütung kann bestehen aus

  • Sitzungsgeldern,
  • Pauschalen,
  • Aktien oder Beteiligungen,
  • Spesen- und Aufwandentschädigungen.

Je nach Gesellschaftstyp (kotiert oder nicht kotiert) müssen diese Beträge teils öffentlich offengelegt werden (Art. 734 OR) oder zumindest steuerlich deklariert werden.

Umsetzung in der Praxis

  • Verlangen Sie eine vollständige Vergütungsaufstellung – Brutto, Netto, geldwerte Vorteile.
  • Klären Sie, ob eine Publikation an Aktionäre oder Börse vorgesehen ist.
  • Beachten Sie indirekte Vergütungen (z. B. Leistungen über eigene Firmen).

Tipp : Führen Sie eine persönliche Übersicht Ihrer Mandatsvergütungen, um Steuererklärungen korrekt und transparent zu halten.

Fazit:  Die richtigen Fragen stellen – das ist bereits Governance

Ein VR-Mandat bedeutet Verantwortung : gegenüber Unternehmen, Aktionären, Mitarbeitenden und dem Gesetz.

Kompetente Verwaltungsrätinnen und -räte wissen nicht alles – aber sie wissen, welche Fragen sie stellen müssen und wann.

Wer diese fünf Fragen zu Beginn klärt, zeigt Haltung, Weitsicht und Professionalität – und schafft die Grundlage für ein wirksames, sicheres Mandat. 

Das Wichtigste auf einen Blick: 


  • Ihre Haftung ist persönlich und kann rückwirkend greifen.
  • D&O-Schutz ist nicht selbstverständlich – fordern Sie schriftlichen Nachweis.
  • Ein schlecht gemanagter Interessenkonflikt kann Beschlüsse ungültig machen.
  • Vertraulichkeit gilt während und nach dem Mandat.
  • Ihre Vergütung muss nachvollziehbar und gegebenenfalls deklariert sein.

Checkliste : Juristische Erstkontrolle für neue VR-Mitglieder


    PrüfpunkteErledigt ?
    Ich kenne die Pflichten gemäss OR Art. 717Ja / Nein
    Ich habe die D&O-Police geprüftJa / Nein
    Ich kenne die Richtlinie zu InteressenkonfliktenJa / Nein
    Ich habe eine Vertraulichkeitserklärung unterschriebenJa / Nein
    Meine Vergütung ist transparent und deklariertJa / Nein

Und Sie ? Welchen Punkt werden Sie an Ihrer nächsten VR-Sitzung überprüfen ?

Geschäftsstelle / Direction 4. Dezember 2025
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